Unsere Zwillinge auf der Neonatologie – Ein Erfahrungsbericht

Unsere Zwillinge auf der Neonatologie – Ein Erfahrungsbericht

Unsere eineiigen Zwillinge wurden in der 30 SSW geboren. Die ersten Wochen wurden unsere Zwillinge hervorragend auf der Neonatologie versorgt. Insgesamt waren die Zwillinge vom 15.1-15.2 auf der Intensiv- Neonatologie im Friedrichshain. Ich selbst war 7 Tage auf der Wöchnerinnenstation untergebracht. Danach bin ich täglich zum Besuchen hingefahren.

Die ersten Tage

An die ersten Tage auf der Neonatologie kann ich mich gar nicht mehr so richtig erinnern. Ist vielleicht auch besser so 😉. Zu gepumpt mit Schmerzmitteln, wurde ich mitsamt Bett auf die Neo gefahren und Aaron wurde auch mit den gefühlt 100 Kabeln aus seinem Inkubator tatsächlich auf die Brust gelegt. Ich weiß es zwar rein faktisch, kann mich aber leider nicht an unseren ersten Moment erinnern. Ich weiß aber noch wie überrascht ich war, als Aaron mir gleich auf die Brust gelegt wurden. Hätte ich mir niemals träumen lassen – dachte durch die ganzen Kabel niemals daran, dass das möglich ist, mit ihm zu kuscheln.

Zu Beginn brauchten unsere Zwillinge Unterstützung bei der Atmung.

Ganz schön viele Kabel. Zu Beginn brauchten unsere Zwillinge noch Atemuterstützung.

Denn unsere Zwillinge sahen schon ganz schön klein und irgendwie krank aus. Ich hatte mich in der Schwangerschaft natürlich mit dem Thema Frühchen auseinander gesetzt, weil es nun mal einfach passieren kann, dass eine Zwillingsschwangerschaft keine 40 Wochen dauert. Aus diesem Grund kannte ich einige Bilder von Frühgeborenen und muss ehrlich zugeben, dass ich mich immer ein wenig erschrocken habe.

In meinem Kopf sind Babys speckig und einfach süß. Die Frühchen sehen je nach Schwangerschaftswoche eher nicht nach gesundem Baby aus. Selbst wenn alle Kabel weg sind, fehlt ihnen vor allem Fett und vor allem Größe- meine Güte wirken die klein und so unglaublich zerbrechlich. Ich denke vor allem der Anblick ist einfach extrem ungewohnt- denn meist hat man nie zuvor so ein kleines Häuflein Mensch aus der Nähe gesehen. Vielleicht kennt man Bilder, aber es ist was ganz anderes plötzlich vor diesem Inkubator zu stehen. Wie unglaublich klein die Hände und Füße dieser Würmer sind. Wahnsinn.

So ein kleiner Babyfuß..

So ein kleiner Babyfuß..

Liebe auf den ersten Blick?

Zudem ist es nicht irgendein Frühchen, sondern das eigene Baby bzw. die eigenen Babys. Im ersten Moment habe ich mir gar nicht sooo viele Gedanken gemacht, sondern einfach stundenlang unsere Zwillinge angeschaut. Tatsächlich fand ich meine eigenen Frühchen nicht erschreckend, dachte aber auch nicht, das es die schönsten Babys auf der Welt waren. Ich denke, dass ist das Stichwort- Sie sahen nicht aus, wie ich mir meine oder generell Babys vorgestellt habe. Hatte ich erwähnt, wie unglaublich klein ihre Hände und Füße waren?

Meine Hand hält deine Hand.

Meine Hand hält deine Hand.

Ihre Geburt kam so überraschend, dass ich die ersten Tage irgendwie nicht das Gefühl hatte, Mutter zu sein. Obwohl ich von meinem Krankenhauszimmer täglich sehr oft MEINE Kinder auf der Neonatologie besuchen ging. Es ist ganz schwer zu beschreiben. Ich dachte sobald Babys geboren sind, fühlt man diese bedingungslose Liebe und ist schockverliebt. Bei mir war es nicht so. Ich besuchte die beiden Mäuse täglich und schrieb erst 5 Tage nach der Geburt in mein „Briefe-für die Minikatzen-Buch“: „Bisher (heute ist Freitag) macht ihr euch unglaublich gut und euer Paps und ich verlieben uns immer mehr in euch. Ihr seht beide so süß aus, und wenn ihr endlich in meinen Arm gelegt werdet, ist es so unglaublich schön und ich vergesse alles drum herum.. Meine kleinen fledermausigen Minikatzen“. Ja süß waren sie schon. Aber ich weiß trotzdem noch, dass ich es gar nicht so einfach war Fotos für Familie und vor allem für sich selbst zu machen auf denen die Minikatzen so süß aussahen wie in Echt und eben nicht soo furchtbar krank und zerbrechlich.

Das Kängerruhen

Mein tägliches Highlight waren die Kängeruhh-Sessions. Beim Kängeruhen liegt man Oberkörper frei halbliegend auf einem bequemen Stillstuhl und die Schwestern legen einem dann das mit einer Windel bekleidete Baby mitsamt dem Kabelsalad auf die Brust und dann wird man mit einer Decke zugedeckt.

Glückliche Mama beim Kängeruhen mit den Zwillingen.

Glückliche Mama beim Kängeruhen mit den Zwillingen.

Dieses Gefühl ist unbeschreiblich und nach ein paar Tagen haben Superdad und ich diese Zeit als „Babyspa“ bezeichnet. In diesen 3 h liegt man da einfach und merkt wie das Baby sich völlig entspannt bzw. man sieht es auf dem angeschlossenen Monitor (Herzfrequenz und Puls gehen runter). Man selbst entspannt sich auch und wir sind super oft dabei eingeschlafen.  In diesem Moment macht man eben was und kommt gleichzeitig zur Ruhe. Man kuschelt mit seinen Kindern und das waren Momente der Sorglosigkeit.

3 h können ganz schön lang sein

Logisch- Ein Frühchen ist zu Beginn sehr schwach. Aus diesem Grund darf man es nicht überreizen. Streicheln (jeder streichelt Babys) ist für die Frühchen eine komplette Reizüberflutung und man sollte nur großflächig die Hand auflegen. Das Kängeruhen ist zwar wichtig für die Frühchen, aber das aus dem Inkubator heben und auf die Brust legen ist für die Mäuse sehr anstrengend. Aus diesem Grund werden die Frühchen nur zwischen 2 Versorgungsrunden (6/9/12/15/18/21/0/3uhr) rausgeholt. Das heißt liegen sie einmal auf der Brust, liegt man da mindestens 3 h. Das hört sich jetzt vielleicht nicht viel an. Aber zu Beginn war das für mich manchmal echt anstrengend. Schmerzen vom Kaiserschnitt, nicht bewegen können und das bedeutete natürlich auch nicht zur Toilette gehen können. Allerdings hatte ich in der Schwangerschaft schon viel Wasser eingelagert. Zudem trinkt man ja wie eine verrückte Stilltee, damit die Muttermilchproduktion endlich in den Gang kommt 😉 Ja da können 3 Stunden schon mal lang sein.

Versorgungsrunde

Zu Beginn traute ich mich kaum die Mäuse anzufassen, da ich Angst hatte, Sie zu verletzten. Wenn sie einem auf die Brust gelegt wurden ok, aber nach ein paar Tagen wurde mir und Superdad gezeigt, wie man die Boys wickelt und versorgt. Das war vielleicht aufregend. Klar Sie haben sich nicht großartig bewegt, aber man musste die ganzen Kabel im Blick haben und zu Beginn hat man ja dann auch noch den Inkubator drum herumgehabt und nur die Hände drin. Und jemanden der zuguckt (was ich so gar nicht haben kann- ich fühl mich da immer so überprüft).

Ich beim versorgen eines Zwillings.

Ich beim versorgen eines Zwillings im Inkubator.

Ach ja bei jeder „Versorgungsrunde“ wurde die Temperatur gemessen- natürlich im Babypo.. Ich weiß nicht wie oft die Schwestern sagten: Schon ein wenig tiefer- aber ja das war auch alles schrecklich ungewohnt. Zu Beginn musste man die genutzte Windel auch noch immer im Anschluss wiegen, damit exakt protokoliert werden konnte. Diese Windeln sind auch so unglaublich klein. Da fällt mir gerade noch was ein: Unser Aaron war schon damals ein kleiner Freiluftpinkler. Wenn man einmal nicht aufgepasst hat, dann zack Laken nass und mitunter auch noch die Scheibe des Inkubators dreckig. Die großartigen Schwestern haben es allerdings mit Humor genommen und ohne mit der Wimper zu zucken Laken gewechselt inklusive An-und Abmontage der 10 mio Kabeln. (Mir war es trotzdem immer peinlich).

Alarm

Die Herzfrequenz,der Blutdruck, die Sauerstoffsättigung und weitere Parameter wurden ja bei unseren Zwillingen 24 Stunden überwacht. Sobald ein Wert ein wenig vom Normbereich abwich, leuchtet „unser“ Monitor orange und es piepte mittellaut. Bei starker Abweichung leuchtet der Monitor rot und es piept im Raum sehr laut und innerhalb von wenigen Sekunden ist eine Schwester da um zu schauen, was denn da los ist.

Zu Beginn waren Superdad und ich natürlich immer sehr aufgeregt, wenn der Alarm los ging, aber irgendwann hört man das Gepiepe gar nicht mehr. Das ist uns erst aufgefallen, als die Großeltern (einziger Besuch, der auf der Neo erlaubt ist) beim Besuchen bei Alarm immer leicht panisch wurden. Gerade gegen Abend wurde der Alarm häufiger ausgelöst und nach ein paar Tagen wussten wir: „AHHH Koffein-Wirkung lässt langsam nach – die Jungs brauchen einen Espresso zur Nacht.“ Kein Scherz – tatsächlich haben unsere Minikatzen 2 mal täglich Koffein bekommen (plus FritzCola über meine Milch) um eine regelmäßige Atmung zu erzielen.

Der erste Umzug

Auf der Neonatologie in Friedrichshain ist es so, dass direkt neben dem Arzt/Schwesternzimmer das „intensivste Zimmer“ ist. Sprich hier sind die Mäuse untergebracht, welche am allermeisten Aufmerksamkeit und vor allem medizinische Überwachung benötigen. Ein Umzug in ein anderes Zimmer bedeutet daher ein Schritt in Richtung nach Hause. Dementsprechend haben wir uns gefreut, über den ersten Umzug der Minikatzen. Im neuen Zimmer wurden Sie dann endlich in ein (!) Wärmebett gelegt – endlich wieder zusammen vereint. Das war besonders für mich sehr wichtig. Denn wenn man die Kids dann abends alleine lässt, fand ich es schön, dass die Beiden wenigstens sich haben. Und nicht ganz alleine da sein müssen.

 

Auch die ersten eigenen Kleider in Größe 42 brachten etwas Normalität.

Auch die ersten eigenen Kleider in Größe 42 brachten etwas Normalität und Ablenkung.

Oh man dieser Artikel ist für mich echt so unglaublich schwierig zu schreiben, da ich immer wieder weinen muss. Ich habe wohl doch echt einiges verdrängt. Das muss man sich mal vorstellen: Bekommt man ein Baby, lässt man es normalerweise nie allein. Man ist immer mit dem Baby zusammen und unsere lagen tagelang zu Beginn ganz allein in Ihrem Inkubator. Als ich damals dann entlassen worden bin, habe ich im Parkhaus geheult wie ein Schlosshund. Ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen. Es war gefühlt was GANZ anderes – zu Hause zu wohnen anstelle von in der Klinik (ca. 3 Gehminuten von der Neo entfernt). Dabei kann man auf der Neonatologie rund um die Uhr anrufen oder vorbeischauen (wir wohnen 10 Autominuten von der Neo entfernt).

Routine

Und trotzdem stellt sich irgendwann ein Alltag auf der Neo ein. Man geht da täglich völlig selbstverständlich ein und aus und hofft das auch für den nächsten Tag die Lieblingsschwestern bei einem eingeteilt sind. (Die Schwestern waren da alle nett und trotzdem hat man seine Lieblinge).   Mein Tag sah immer gleich aus:

6:00 Uhr: Aufstehen, abpumpen, fertig machen, zur Klinik fahren, Abpumpen,

09:00 Uhr: Zwillinge wickeln und frisch machen, kängeruhen, Zwillinge wickeln

12:30 Uhr: Abpumpen, nach Hause fahren um schnell zu essen, abzupumpen und mit Happy spazieren

17:30 Uhr: zurück in die Klinik, um dort Leo zu treffen, abpumpen, kängeruhen , abpumpen (wickeln war da Superdads Aufgabe)

22:00 Uhr: Ankunft zu Hause , schnell was ungesundes zu Essen und ab ins Bett

00:00 Uhr und 3:00 Uhr Abpumpen

Zum Teil war ich abends sehr erschöpft und Superdad hat die Abendrunde allein gemacht. Es klingt echt seltsam aber irgendwie war das auch eine schöne Paarzeit. Jeden Abend saß man da 3 h zusammen und hat entweder die Babys zusammen genossen und oder ganz viel erzählt.

Superdad und ich zusammen im BabySpa. Ja Qualität des Bildes ist schlecht, aber nicht zu ändern.

Superdad und ich zusammen im BabySpa. Ja Qualität des Bildes ist schlecht, aber nicht zu ändern.

3 besonders schwere Tage

Manchmal kommt man morgens auf der Neonatologie an, und bemerkt sofort hier stimmt irgendwas nicht. Oh man das war soooo schrecklich. Die Wände sind nicht besonders dick und so hörte man die verzweifelten Eltern weinen. Dann saß ich mit meinen Minikatzen im Arm und weinte vor mich hin. Das ist wirklich eine schrecklich bedrückende Situation. Das nimmt einen sehr mit. Man schleicht ganz schnell über die Station und hofft niemanden zu begegnen. Man drückt die eigenen Mäuse noch fester an sich heran und hofft einfach nur, dass einem selbst und niemanden den man kennt so etwas passiert.

Keine Prognose/Ungewissheit

Niemand kann einem sagen, was das Frühchen für Probleme in den nächsten Tagen oder im späteren Leben bekommen kann. Studien gibt es viele, aber das muss ja nicht für das eigene Frühchen zutreffen. Die Ärzte können einem natürlich auch nicht sagen, dass alles gut gehen wird. Eine Geburt in der 30 SSW kann nun mal spätere Komplikationen hervorrufen. Ich wusste das besonders zu Beginn Hirnblutungen auftreten können.

Superdad bestaunt einen Zwilling und hofft, dass wir bald nach Hause können.

Superdad bestaunt einen Zwilling und hofft, dass wir bald nach Hause können.

Superdad wollte davon aber nichts wissen und so dachte auch ich bald nicht mehr dran. Wir waren irgendwie sicher, dass die Minikatzen natürlich noch wachsen müssen, aber wir früher oder später 2 gesunde Babys mit nach Hause nehmen dürfen.

Wann geht’s ins Familienzimmer

Die Frage war nur wann. Auch darüber machen die Ärzte keine Aussage. Einfach um nicht mit den Enttäuschungen der Eltern umgehen zu müssen, falls es doch nicht zum gedachten Termin klappt und natürlich weil man es schlicht weg nicht so richtig vorraussagen kann, wann das oder die Babys soweit sind.  Anfangs dachte ich: Eigentlich bist du ja noch schwanger. Nur das der Bauch jetzt quasi in der Klinik ist. Die Zwillinge müssen einfach noch wachsen und gut ist. Doch je mehr Meilensteine erreicht wurden, Aaron knackt die 2000 Gramm Grenze, Raphael zieht nach.

Unsere Zwillinge haben ihre ersten Abzeichen zusammen gesammelt.

Unsere Zwillinge haben ihre ersten Abzeichen zusammen gesammelt.

Sie trinken Ihre erste Flasche alleine, desto mehr wollte ich wissen wann so ungefähr denn die Minikatzen nach Hause dürfen. Bzw. auf erst mal auf die nächste Station. Ein Familienzimmer. Hieß ich ziehe (plus Superdad am Wochenende) ins Krankenhaus – die Zwillinge sind weiterhin an den Monitoren angeschlossen, aber versorgt werden Sie durch uns.

 

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