Brief an eine Frühchen – Mama

Brief an eine Frühchen – Mama

Liebe Frühchen – Mama,

Auch ich kann Dir leider nicht sagen, dass alles gut gehen wird und Ihr euer Baby / eure Babys in ein paar Tagen, Wochen oder sogar Monaten völlig gesund mit nach Hause nehmen könnt. Auch wenn ich es gerne tun würde, da du dir nichts sehnlicher wünscht.

Ich weiß Du machst Dir große Sorgen auf der einen Seite und andererseits kannst du keinen klaren Gedanken fassen. Ich weiß, dass du Dich hilflos fühlst und zunächst denkst, du hast nur schlecht geträumt. Aber Nein es ist die Realität- Dein Baby oder Deine Babys sind jetzt schon da –ich weiß, es ist doch eigentlich noch viel zu früh…

Du weißt nicht, wo oben und unten ist. Du bist völlig überfordert. Du hast Angst. Sehr große Angst. Wie wird das alles weiter gehen. Was bedeutet das für Dich, das Baby und die gesamte Familie? Du hattest doch Pläne, Träume, Wünsche und Vorstellungen, wie das Leben mit diesem Baby so sein soll. Das Du nun hier sehr oft am Inkubator sitzt, nein damit hattest du nicht gerechnet.

Du fragst Dich ob du etwas ändern hättest können? Ob es deine Schuld ist, wenn auch nur zum Teil?  Ob du es verdient hast? Und manchmal findest du es ungerecht, und fragst Dich warum ausgerechnet Dir so etwas passieren musste.

Dein Partner ist der Einzige, der dich gerade vollkommen verstehen könnte. Trotzdem kann es sein, dass Ihr beide unterschiedliche Herangehensweisen habt und du dich zudem unverstanden und einsam fühlst. Du bist unglaublich traurig, obwohl du doch glücklich sein solltest- schließlich bist du Mama oder Papa geworden.

Ja- du hattest Dir das alles ganz anders vorgestellt. Du hast dich monatelang auf dein Baby gefreut und dir ausgemalt, wie es sich anfühlt, wenn das Baby da ist. Wie du es auf deinem Arm hast, an ihm riechst und es einfach alles perfekt ist.

Und nun liegt es da in diesem Inkubator. Ganz klein, so zerbrechlich, so hilflos, so voller Kabel und das allerschlimmste so ganz allein. Eltern sollten nicht von Ihrem Baby getrennt sein – es fühlt sich einfach alles falsch an. Das ist es auch.

Dennoch wird dein Baby aus medizinischer Sicht jetzt bestmöglich betreut. Die medizinische Versorgung in Deutschland ist wahnsinnig gut und die Schwestern und Ärzte machen einen großartigen Job. Sicher der Start in das Leben deines Babys ist nicht optimal gelaufen, aber es ist nun nicht mehr zu ändern und es gilt das Beste draus zu machen.

Hier sind ein paar Tipps, die mir sehr geholfen haben. Vielleicht helfen Sie Dir auch und Du fühlst Dich in dieser schweren Zeit ein ganz klein wenig besser. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute und viel Kraft für diese besondere Anfangszeit mit Deinen Baby (oder Babys).

Alles Liebe,

Franzi

Mach dir keine Vorwürfe

Es ist nicht Deine Schuld. Bitte höre auf dir Vorwürfe zu machen. Erstens bringt es dich nicht weiter und zweitens ist es ganz sicher nicht deine Schuld, dass das Baby zu früh geboren wurde. Klar Stress und Überlastung lösen Wehen aus, aber es hätte Vorboten gegeben, die du wahrgenommen hättest. Also denk nicht weiter darüber nach, was wäre gewesen, wenn Du dich anders verhalten hast.

Gläserner Bauch

Ich habe mir oft selbst gesagt: „Hey eigentlich bist du ja noch schwanger. Nur das dein Bauch eben in der Klinik ist. Die Minikatzen müssen noch wachsen. Im Normalfall hätte man Sie auch nicht vor März (ET war bei uns Ende März) gesehen.  Ist doch klar, dass Sie noch nicht ganz fertig sind.“ Dieser Gedanke hat mir viel geholfen, wenn ich ungeduldig wurde. Oder aber auch wenn ich traurig war, dass die Mäuse eben in der Klinik sind und nicht zu Hause.

Nicht Googlen

OH man was hat mich dieses Googeln an Nerven gekostet. Erst in der Schwangerschaft und auf der Neointensiv wurde es dann noch viel schlimmer.  Im Internet findet man ganz viel, was Frühchen so für Probleme bekommen könnten. KÖNNTEN! Muss aber nicht passieren und es bringt gar nix sich dazu zu belesen. Auch die Erfahrungsberichte sind so eine Sache. Im Internet bekommt man manchmal den Eindruck, dass viele Frühchen später „Komplikationen oder Einschränkungen“ haben. Aber ganz ganz viele Frühchen entwickeln sich völlig normal wie reifgeborene Babys. Positive Berichte werden aber nicht so im Internet mitgeteilt.

Um ehrlich zu sein, habe ich den Tipp „nicht Googlen“ nicht befolgen können. Nie! Aber ich habe irgendwann nur noch in der Nacht vor oder am Tag eines Arztgespräches gegoogelt.

Mit den Ärzten sprechen

Klar auch die Ärzte machen keine Prognosen. Aber mir haben die Arztgespräche immer viel geholfen. Frag soviel du möchtest, auch deine ganzen Google Ergebnisse. Nicht mit jedem Arzt bist du auf einer Wellenlänge – führe die „Sorgen-Gespräche“ nur mit den Ärzten, die du sympathisch findest.

Muttermilch Abpumpen

Als ich den Chefarzt gefragt habe, was ich für meine Frühchen tun kann, war seine Antwort: kängeruhen (nicht als Tipp, denn das macht man ja eh so oft es möglich ist) und Muttermilch. Sollte es Dir irgendwie möglich sein, versuche abzupumpen. Bei mir hat es auch ein paar Tage gedauert bis Milch kam (man war das frustrierend, wenn die Ausbeute nur 0 – 10 ml betrug über Tage). Auch war eine Stillberaterin auf Station. Sollte das bei dir nicht so sein, dann könntest du die Stillberatinnen von La leche Liga kontaktieren.  

Dekoriere den Inkubator

Sofern das auf Deiner Neo erlaubt ist, bring unbedingt Spieluhr und Kuscheltiere oder aber auch Fotos von eurer Familie mit und „dekoriere“ euren Platz. Es lenkt Dich ein wenig ab und vor allem wird es weniger steril aussehen.

Kauf eigene Kleidung

Bei uns war es so, dass die Jungs irgendwann Bodys und Strampler angezogen bekommen haben. Klinikwäsche. Als ich ein paar Tage schlechtdrauf war, meinte meine Lieblingsschwester Maxi, ich solle doch was Eigenes mitbringen. Das könne vielleicht ein wenig helfen. Und ja tatsächlich. Ich habe bei Mamikreisel für sehr wenig Geld ein paar Sachen in Größe 42, 46 gekauft. Und es hat mir viel Freude bereitet. Man war ich stolz als die Boys in Ihren ersten eigenen Sachen nur für Sie im Wärmebett lagen.

Positive Berichte

Bei uns auf der Neointensiv gab es eine kleine Ecke mit Fotos, Briefen und Büchern von ehemaligen Patienten. Ich habe da nur positive Berichte gefunden und das war echt schön zu sehen, die Bilder zur Geburt und dann evt. nach einem Jahr oder aber auch nach 18 Jahren.

Lies vor!

Dein Frühchen kennt deine Stimme noch aus dem Bauch und findet Sie beruhigend. Du kannst deinem Baby also einfach irgendwas erzählen und wenn du nicht weißt was, dann lese einfach irgendwas vor. Ich habe das Buch „Eine Stimme für Frühchen“  von Julia Schierhold-Urlichs viel zu spät gekauft und meinen Mäusen dann später im Begleitzimmer vorgelesen. Fand die Geschichten ganz gut und auch die Erfahrungsberichte. Du könntest deine Stimme auch aufnehmen und die Schwestern fragen, ob Sie in der Nacht deinem Baby das aufgenommene vorspielen.

 

Unsere Zwillinge hier mit ca. 5 Monaten.

Unsere „Frühchen“ hier mit ca. 5 Monaten und etwas mehr als 5Kg.

Unsere Zwillinge wurden in der 30 SSW geboren mit 1100 und 1400 Gramm und waren vom 15.1.-15.2 auf der NeoIntensiv. Bisher scheint alles in Ordnung mit Ihnen zu sein.  

 

Kommentar verfassen